Zur Eröffnung : Krochka Zeichnung - Malerei - Kunstkabinett Hans Martin Hennig am 9. Juni 2011 Geschichten eines Augenblicks
Zu Zeichnung und Malerei von Krochka
Ich liebe die Linie. Bei Pierre Alechinsky ist es ihre subversive Eleganz und Vitalität, bei Cy Twombly die gelassene, fast kindliche Selbstverständlichkeit und bei Jan Voss das Aneckende und in ein Spiel Verwandelnde, die Metamorphose.
All das finde ich in den Linien Krochkas nicht.
Warum aber bin ich der Linie so aufgetan?
Krochkas Linien schraffieren nicht ein Territorium. Gleichwohl bevölkern sie das Papier und bilden zugleich einen dichten Raum. Aber sind es überhaupt Krochkas Linien?
Die Linien berühren sich oft und leben in enger Nachbarschaft. Aber sie erzeugen keine Unruhe, keinen Platz- oder Raummangel. Sie sind einfach da. Unzählbar, nicht verfolgbar – es sei denn aus größter Nähe gesehen. Sie sind nicht vereinzelt, unterscheiden sich aber zugleich von den anderen in kleinsten Nuancen. Jede Linie ist ein zartes, feines Individuum.
Die Linien gehen horizontal oder vertikal über die Fläche des Papiers. Sie gleichen Schlaufen oder schneckenförmigen Gebilden oder nur sich selbst. Sie verdecken etwas. Vibrieren sie?
Und die Flächen, die sie gemeinsam bilden, werden zu durchlässigen architektonischen Formen, die in die Nähe vieler grafischer Arbeiten und Zeichnungen Eduardo Chillidas führen: in eine neue, offene und geschlossene Form, deren Zugang über die Oberfläche geht.
Den Zeichnungen wohnt diese grenzenlose Stille inne, diese lautlose Sprache, die ich gerade dann wahrnehme, wenn ich mit einer Zeichnung allein bin.
Auch die Malerei Krochkas ist eine Erweiterung des Körpers. Sie geht an die Grenze des Unsichtbaren und kommt von daher zurück. Die Tiefenwirkung der Malerei korrespondiert mit der Oberfläche der Zeichnung. Die Zeichnung ist die sichtbare Grenze, die die Malerei über- und unterschreitet.
Die kleinen Formate verdichten die Intensität von Zeichnung und Malerei. Sie zeigen aber auch etwas von der Länge und Weite des Weges an, der zeichnerisch und malerisch gefunden wird: von den immer wieder zu unternehmenden Exkursionen über die unendlichen Meere, durch die dunklen und hellen Nächte auf das Offene zu, wo ein Ankommen vielleicht nicht ein Ziel, sondern nur das Ende wäre.
Und das findet statt.
Bonn, den 9.6.2011 Hans Martin Hennig
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