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Hans Martin Hennig. Rede zur Ausstellungseröffnung am 6.2.2009: Ein Tagebuch der Linien Christoph Loos - Nicht will ich, Die Bilder Dir stürmen. Blindzeichnungen (I) Vor einigen Jahren im Winter in einer Kölner Galerie habe ich zum ersten Mal die großformatigen Holzschnitte von Christoph Loos gesehen. Bis dahin hatte ich noch nie so große und so skulpturnahe Holzschnitte gesehen. Ich war begeistert und sprachlos. Beim längeren Betrachten stellten sich bei mir innere Bilder ein. Sie zeigten mir eine weite, karge, zarte und Energie geladene Landschaft, die mich an die spanische Meseta erinnerte. Über und durch diese leicht gewellte Fläche des Holzschnittes zogen sich schwarze oder weiße Linien, die dem Auge Blickrichtungen und Anhaltspunkte vorschlugen. Und eine Vibration ging beim Schauen auf mich über, die weiter klang, auch wenn ich nicht mehr mit den Holzschnitten zusammen in einem Raum war. Jahre später bin ich von neueren Arbeiten des Künstlers wieder völlig überrascht worden. Diesmal hingen sie in einem Bonner Museum. Diesmal spürt Christoph Loos mit einer Infrarotkamera den Grenzbereich des Sichtbaren und Unsichtbaren auf. Die Fotos zeigen nicht nur das dem menschlichen Auge und dem Kameraobjektiv offen stehende. Dazu kommen als abgestufte Rotfärbungen die Wärmestrahlungen, die von der organischen Materie – hier von Baum und Mensch – ausgehen. Innen und Außen zeigen sich zugleich in einem Bild. Und eine Geschichte der Verletzbarkeit und der Todeserfahrung wird aufspürbar in diesen Fotos, die aber auch von der fundamentalen Beziehung erzählen zwischen Mensch und Baum. Heute ist es das Projekt „nulla dies sine linea“, das Christoph Loos als Tagebuch der Linien seit dem 21.6.2008 täglich fortführt und zwar mit geschlossenen Augen. In dieser intimen Situation ereignet sich eine Expedition, die vom Unsichtbaren ins Sichtbare führt und vom Sichtbaren ins Unsichtbare. Die inneren Bilder unterliegen bei ihrer Aufzeichnung, ihrer Bildwerdung nicht der Kontrolle des Auges und des Intellekts. Unbesehen wachsen sie aus, wachsen sie mit der Linie. Schon die Erfahrung des Papierrandes, des Formates und der Bewegung des Zeichenstiftes werden für den Künstler zur intuitiven Selbstreflexion der Zeichnung. Die Blindzeichnungen schreiben an einem zeichnerischen Tagebuch, das den offenen Augen des Künstlers nach der Aufzeichnung jedes Mal aufs Neue etwas Unvorhersehbares zeigt. Hier wird das traditionelle Subjekt –Objekt Verhältnis auf den Kopf gestellt. Das Ich wird zum Du, das Bild wird zum Ich. Die Blindzeichnungen fragen nach der Herkunft der Bilder und beschreiben den osmotischen Vorgang, der sich beim Zeichnen abspielt. Sind die Bilder, die dir stürmen, wie es der Titel der Ausstellung, ein Zitat aus einem Fragment von Friedrich Hölderlin nahe legen könnte, Bilder der Außenwelt? Werden sie in solche der Innenwelt transformiert? Und welche Instanz bildet dabei das Ich? Die Zeichnungen sind auf der Rückseite mit Datierungen versehen. Das „Tagebuch“ bekommt eine Chronologie. Diese wird erweitert durch eine spezifische Topologie, indem in der Ausstellung einzelne Zeichnungen in Blöcken zusammengefügt werden. So werden sie in der Sichtbarkeit nicht nur zu Relikten der Unsichtbarkeit, sondern zu eigenen Geschichten, die eine andere Form der Gegenwart bilden. zurück |