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Hans Martin Hennig. Rede zur Ausstellungseröffnung Pascal Ravel - Malerei am 30.10.2009 Eine kleine Reise zur Farbe hin und über die Nähe zum Motiv. Zu Zeichnung und Malerei von Pascal Ravel Zum ersten Mal habe ich eine kleine Zeichnung von Pascal Ravel im vergangenen Frühling in Paris gesehen. Ich war zu Besuch bei einer Malerin und da – auf dem Regal – fast ohne Rahmen stand die Zeichnung handtellergroß und machte still auf sich aufmerksam. Ich erinnere mich – es waren vielleicht nur vier sehr feine Graphitstriche, die bei mir gleich ein Baumgefühl, eine Ahnung von einem Baum auslösten. Und dieses Gefühl, diese Ahnung war ganz in meiner Nähe und ganz in mir. Später dann im vergangenen Sommer im Atelier des Malers in Vitry-sur-Seine habe ich dann noch weitere Zeichnungen des Malers gesehen, genauer gesagt, ich habe sie dort besucht. Beim Sehen der Zeichnung ist immer wieder der Moment eingetreten, wo ich auf einmal in der Zeichnung war, wo ich die Zeichnung war. In seinen Notizen schreibt Pascal Ravel im Juni 2009: „Zeichnen, das ist einfach sehen.“ „Und wenn ich einen Feigenbaum zeichne“, sagt er, „setze ich mich in den Baum und suche seine Nähe. Dabei empfange ich die Kraft und die Energie des Baumes und, ohne auf das Blatt Papier und den Kohlestift zu schauen, übertrage ich, überträgt sich dieses Gefühl auf die Zeichnung.“ Die einzelnen Striche sind sehr fragil und bilden zusammen keinen festen Umriss. Vielmehr ist jeder Strich ein kleines Ereignis, ein Individuum, das sich zugleich mit den anderen in einem offenen Zusammenhang bewegt. Es geht eine große Offenheit von diesen zarten Zeichnungen aus. Sehe ich dann den Baum? Nicht den Baum sehe ich, sondern etwas, das seinen Namen verloren hat, in Schwingung gerät und sich und meinen Blick öffnet. Und die kleine Reise in die Farbe? Oft ist sie gar nicht klein. Über mehrere Jahre hinweg trägt der Maler mit langstieligen Pinseln dünne Ölfarbenlasuren schnell und flächendeckend auf die ungrundierte Leinwand auf. Die Farbe trocknet. Der Maler hat Zeit, sein Bild zu vergessen und wieder zu ihm zurück zu kommen. Dann trägt er die nächste Farbschicht auf : ein weiterer Schritt auf der Untersuchungsreise hin zur Farbe. Bis zu zehn Farbschichten und mehr folgen, bis das Bild fertig ist. Als ich Ravel frage,woran er merkt, dass das Bild fertig ist, antwortet er, „wenn es mir etwas Neues zeigt. Das Bild sagt dann: 'Verlass mich.' Es stößt den Betrachter um, bringt ihn in Bewegung.“ Pascal Ravel liebt beim Malen nicht das direkte Licht. Am liebsten malt er, wenn der Himmel bedeckt ist und es regnet. Es ist radikale Malerei, die Pascal Ravel in seinem Atelier verfolgt. Es geht um die Selbstreflexion der Malerei im Bild, um die Möglichkeiten des Formats, der Farbe, des Pinsels, der Bewegung und der Zeit. Die Bilder, die hier entstehen, sind mit dem Blick überhaupt nicht zu fassen. Die fast unsichtbaren Spuren des Pinsels erzeugen rhythmische Impulse – die zum ersten Mal gesehene Farbe zeigt sich tief und namenlos. Zugleich spürt man in der Tiefe die anderen Farbschichten mit, ohne sie zu sehen ? Ich sehe sie schon, kann sie aber nicht als einzelnen Farbauftrag isolieren, kann sie nicht benennen und zugleich fühle ich sie. Beim Betrachten der Malerei verschwinden der Focus des Auges und die Perspektive des Bildes. Leicht streift das Auge über die Bildfläche. Das Bild verliert seine Objektposition als Gegenüber. Während ich die Farbe sehe, bin ich in der Farbe, die ich sehe, werde ich zur Farbe, werde ich zum Bild. „Die Farbe“, schreibt Pascal Ravel, „hat Körper und Esprit.“ Hans Martin Hennig Pascal Ravel: Extraits d’un entretien de Pascal Ravel avec Pierre Manuel, 2005 Notes sur les dessins, 2009 zurück |